MOTOR-EXCLUSIVE

Ralf Loweg - 11. April 2018, 11:12 Uhr MOTORSPORT

Porsche 919 Hybrid schneller als die Formel 1

Schon zu seiner aktiven Zeit ist der Porsche 919 Hybrid zur Legende geworden. Doch leise ist es um den Schwaben-Pfeil nicht geworden. Und dass der 919 Hybrid noch lange nicht zum alten Eisen gehört, das hat er jetzt auf der traditionsreichen Rennstrecke im belgischen Spa-Francorchamps bewiesen.


Schon zu seiner aktiven Zeit ist der Porsche 919 Hybrid zur Legende geworden. Mit diesem Fahrzeug hat der Sportwagenhersteller aus Stuttgart-Zuffenhausen beim berühmten 24-Stunden-Rennen von Le Mans Geschichte geschrieben. Porsche gewann den Klassiker mit dem 919 Hybrid von 2015 bis 2017 dreimal hintereinander sowie die Weltmeistertitel für Hersteller und Fahrer in der Langstrecken-WM.

Als sich der Autobauer 2017 dann von der Langstrecke verabschiedete und stattdessen den Wechsel in die Formel E verkündete, ging es für den Hybrid-Renner in den wohlverdienten Ruhestand. Doch leise ist es um die Legende nicht geworden. Und dass der Porsche 919 Hybrid noch lange nicht zum alten Eisen gehört, hat er jetzt auf der traditionsreichen Rennstrecke im belgischen Spa-Francorchamps bewiesen. Dort, wo die Karriere von Michael Schumacher begann und wo zahlreiche Dramen die Motorsport-Welt erschütterten. Ein heiliger Ort also für eingefleischte Rennsport-Fans.

Porsche-Werksfahrer Neel Jani brauchte für eine Runde auf dem 7,004 Kilometer langen Kurs in den Ardennen mit einer Evo-Version des Le-Mans-Siegerautos 1.41,770 Minuten. Damit unterbot der 34 Jahre alte Schweizer die bisherige Bestmarke: Die hatte der viermalige Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton im Mercedes F1 W07 Hybrid am 26. August 2017 aufgestellt. Der Brite benötigte 1:42,553 Minuten für eine Runde auf dem Spa-Kurs. Damit sicherte sich Lewis Hamilton 2017 für den Großen Preis von Belgien die Pole Position.

Neel Jani kam bei seiner Rekordrunde einen Topspeed von 359 km/h, die Durchschnittsgeschwindigkeit lag laut Porsche bei 245,61 km/h. Die Lufttemperatur betrug elf Grad Celsius, die Streckentemperatur 13 Grad Celsius. "Das war eine absolut fantastische Runde - eine herausragende fahrerische Leistung und das Ergebnis großartiger Ingenieursarbeit. Der heutige Streckenrekord beweist eindrucksvoll die ultimative Performance des innovativsten Rennwagens seiner Zeit", sagte Fritz Enzinger, Leiter LMP1.

Rekordfahrer Neel Jani schwärmte von seinem Rennwagen. "Der 919 Evo ist brutal beeindruckend. Er ist definitiv das schnellste Auto, das ich je gefahren bin", sagte der Schweizer. Das Grip-Niveau sei für ihn eine völlig neue Dimension gewesen, das habe er sich so nicht vorstellen können. Und irgendwie ahnte er seinen Rekord. "Ich wusste gleich auf der ersten Runde am Morgen, dass das Auto super liegt. Die Renningenieure haben bei der Abstimmung tolle Arbeit geleistet,"

Betreut wurde das Evo-Projekt vom leitende Renningenieur Stephen Mitas. "Für uns wurde eine Art Ingenieurs-Traum wahr", so der Australier. Nachdem man das Auto vier Jahre entwickelt, verbessert und eingesetzt habe, bestünde eine sehr enge Beziehung zu diesem Rennwagen. "Wir wussten immer: Egal, wie erfolgreich der 919 Hybrid war - seine Fähigkeiten konnte er niemals ganz zeigen." Doch bei der Rekordfahrt sei man nicht durch ein Reglement limitiert gewesen: "Es ist befriedigend, dass die umgesetzten Modifikationen ausreichten, um den Formel-1-Rekord zu knacken."

Basis für das Rekord-Fahrzeug war der siegreiche 2017er Rennwagen. Hinzu kamen Entwicklungen, die schon für die Langstrecken-Weltmeisterschaft 2018 stattgefunden hatten, aber nach dem Ausstieg aus der Serie Ende 2017 auf Eis lagen, erläutern die Porsche-Ingenieure. Was ist mit dem Motor? Für den 919 Hybrid Evo blieb die komplette Hardware des Antriebsstrangs unangetastet. Der 919 wird angetrieben von einem Zweiliter-V4-Turbobenziner in Kombination mit zwei verschiedenen Energierückgewinnungssystemen - Bremsenergie von der Vorderachse und Abgasenergie.

Und noch etwas zur Technik: Während der Verbrenner die Hinterachse antreibt, wirkt beim Boosten ein E-Motor an der Vorderachse und sorgt für Allradantrieb beim Beschleunigen. Gleichzeitig sammelt der 919 unter Last wieder Energie aus dem Abgastrakt ein, die sonst ungenutzt entweichen würde. Als Zwischenspeicher für den aus Brems- und Abgasenergie gewonnenen elektrischen Strom dient eine flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Batterie.

In Spa durfte der 919 Hybrid in seiner letzten Saison 1,784 Kilogramm/2,464 Liter Benzin pro Runde einsetzen. Damit leistete der Vierzylinder-Verbrenner rund 500 PS. Frei von dieser Restriktion und ausgestattet mit entsprechenden Software-Updates, bringt es die Evo-Variante auf 720 PS.

Ralf Loweg / mid

Dieser Artikel aus der Kategorie MOTORSPORT wurde von Ralf Loweg am 11.04.2018, 11:12 Uhr veröffentlicht.